Nun stellt sich natürlich die Frage warum es zur Gewalt in der Schule kommt. Worin bestehen die Ursachen dieser Phänomene und wie kommt es zu ihrer Entstehung.
Karl Gebauer hat einige Möglichkeiten aufgelistet, wie es zu Dissozialität kommen kann. Er meint dazu: „In jedem Fall handelt es sich bei den Ursachen von Gewalt in der Schule um ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Einige seien ohne Wertung aufgezählt.
Übermäßiger Fernsehkonsum mit gewalttätigen und brutalen Szenen.
Beziehungsproblematiken in den Familien. Abwesenheit der Väter oder ihr Desinteresse an den Erziehungsprozessen ihrer Kinder.
Unklare Beziehungssituation in der Familie. Dies trifft dann zu, wenn Kinder Vater oder Mutter nicht als eigenständiges Selbst erleben. Oft fehlt das richtige Maß an Zuwendung und Grenzsetzung in der Erziehung.
Umkehrung der Eltern- Kind Rolle. In einer zunehmenden Zahl von Fällen müssen Kinder ihre Mütter oder Väter versorgen, weil diese aufgrund von Süchten dazu nicht mehr in der Lage sind.
Selbstlosigkeit der Mütter kann ebenso wie übermäßige Autorität der Väter dazu führen, dass Jungen gewalttätig werden. Erfahrene Gewalt führt zu Minderwertigkeitsgefühlen. Ein Muster zur Überwindung der erlittenen Demütigung und zur Tilgung der dabei empfundenen Scham führt zu Gewalttätigkeiten gegenüber Schwächeren oder Außenseitern.
In einer vernachlässigenden oder verwöhnenden Erziehung werden Frustrationen nicht angemessen erlebt und bearbeitet. Diese Erfahrungslücke führt in der Folge oft zu Gewalttaten.
Bei der Analyse von Gewalttätigkeiten in der Schule wird eine große Beziehungsunsicherheit und damit verbunden eine starke emotionale Unsicherheit der beteiligten Kinder sichtbar.“(Zit.: Gebauer, Karl. Gewalt lässt sich beeinflussen, 2003) Es bleibt zu betonen, dass diese Merkmale einzeln oder zu mehreren auftreten können, aber nicht müssen. Es ist immer ein Zusammenspiel der individuellen Faktoren des Kindes. Die Persönlichkeit des Kindes, seine familiären Verhältnisse, sein soziales Netz, seine peergroup, seine coping-Strategien,…dies alles hat Einfluss darauf, wie das Kind reagiert. Eine gewalttätige Szene in einem Film alleine für sich, löst sicher kein dissoziales Verhalten aus. Jedoch steht dieses Erlebnis in einem Kontext mit anderen Gegebenheiten und diese entscheiden das Verhalten.
Zur Frage des Warum lässt sich auch noch sagen, dass wenn ein Kind seine Mitschüler schlägt oder demütigt, es sich dadurch für eine Weile stark und mächtig fühlen kann. Dieser für das Kind angenehme Zustand hält aber nicht lange an und daher kommt es erneut zu Übergriffen. Es entsteht eine Art Teufelskreis, der sich selbst verstärkt. Das Kind möchte den angenehmen Zustand herstellen (stark und mächtig sein) und den negativen (schwach und verletzlich) beseitigen.
Eigentlich ist so ein Kind auf der Suche nach Sicherheit, Anerkennung und Geborgenheit. (vgl. Gebauer, K. Kinder auf der Suche nach Geborgenheit) Werden diese Bedürfnisse nicht von seiner Umwelt auf herkömmliche Weise befriedigt, so versucht es diese durch Gewalt zu erzwingen.
Max Friedrich schreibt in seinem Buch „Irrgarten Pubertät – Elternängste“ zum Thema Aggression, dass sie häufig auf ein Machtverhalten zurück zu führen ist. Die Unterdrückung anderer Menschen erhöht das Selbstwertgefühl und das soziale Prestige.(vgl. Friedrich, M. Irrgarten Pubertät, 1999) Rivalität ist in der Schule ständig zu spüren und wird nicht selten auch noch geschürt, zum Beispiel durch Lehrpersonen und den Unterricht im Allgemeinen. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft in der Konkurrenz und Rivalität an der Tagesordnung stehen. Jeder möchte der Beste sein und das ist auch gut so, in einem gesunden Maße, um erfolgreich zu sein. Jedoch kann das eskalieren, wenn Kinder zu Mitteln greifen, die anderen schaden, um sie sozusagen als Konkurrenten aus dem Weg zu räumen.
Außerdem tritt Rache in diesem Zusammenhang häufig auf. Zum Beispiel durch die Weitergabe von Selbsterlittenem. Diese Qualen werden gespeichert und wenn es nicht mehr ertragen werden kann, bricht die Aggression hervor. Dies erklärt auch Amokläufe, die ein nicht mehr steuerbares Unterfangen darstellen.
In der Verteidigungshaltung in die sich das Kind aus Schutz begibt, baut es eine präventive Kraft auf, um frühzeitig deutliche Signale (Abwehr) zu setzen. ( Vgl. Friedrich, M. Irrgarten Pubertät, 1999) Es reagiert aggressiv um sich zu schützen und erneute Angriffe vorzubeugen.
(Auszug aus meiner Arbeit: „Dissozialität im Pflichtschulalter-Gründe und Interventionsmöglichkeiten“, 2004)
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